Veranstaltung: | BG 10.01.23 |
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Tagesordnungspunkt: | 2 Ziviler Ungehorsam ist kein Terrorismus! Referent: Florian Schärdel (Ansprechperson von RechtGrün Berlin) |
Antragsteller*in: | GA KV Xhain (dort beschlossen am: 31.12.2022) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 05.01.2023, 16:38 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A1NEU: Ziviler Ungehorsam ist kein Terrorismus!
Antragstext
Ziviler Ungehorsam ist eine Form politischer Partizipation, bei der die
Handelnden bewusst gegen rechtliche Normen verstoßen, um auf die Beseitigung
einer größeren, oft gesamtgesellschaftlichen Unrechtssituation hinzuwirken. Der
Akt des Zivilen Ungehorsams dient der Schaffung von Aufmerksamkeit und zielt
gerade nicht auf die gewaltvolle Verletzung individueller Rechtspositionen oder
-güter. Die Ungehorsamen nehmen bei ihrem Handeln bewusst in Kauf, auf Basis der
geltenden Gesetze für ihre Handlungen bestraft zu werden. Sie beanspruchen keine
Stellung außerhalb des Rechtssystems und fordern auch nicht die Ablösung der
bestehenden Ordnung. Sie sind damit nicht gleichzusetzen mit
Widerstandskämpfer*innen oder Terrorist*innen. Wer zivilen Ungehorsam übt,
dem*der geht es vielmehr um die Durchsetzung von Bürger*innen- und
Menschenrechten sowie den Erhalt unserer Lebensgrundlagen.
Ziviler Ungehorsam ist gelebte Demokratie, weil er das Vertrauen darin
voraussetzt, dass die staatliche Gewalt gerade nicht eine des Unrechts ist und
sie vielmehr die Motive der Agierenden bei der Beurteilung rechtlicher
Konsequenzen berücksichtigen wird. Eine staatliche Gewalt, die als lebendige und
wehrhafte Demokratie interessiert ist an mündigen Bürger*innen, kritischen
Beobachter*innen und mutigen Akteur*innen. Als Partei und Kreisverband vertrauen
wir dem staatlichen System der parlamentarischen Demokratie. Gleichzeitig sehen
wir, wie die rasanten Entwicklungen unserer Zeit auch eine Beschleunigung
demokratischer Prozesse erfordern und es uns zu oft noch nicht gelingt,
essentielle Weichenstellungen und Politiken in der gebotenen Geschwindigkeit auf
den Weg zu bringen. Auch, weil die „allgemeine Öffentlichkeit“ bestimmten Themen
noch immer nicht die gebotene Aufmerksamkeit und Dringlichkeit zuerkennt.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 festgestellt, dass der Staat verpflichtet
ist, die Lebensgrundlagen für künftige Generationen zu schützen und dass die
Anstrengungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes generationengerecht verteilt
werden müssen. 2015 haben sich in Paris 195 Staaten – darunter auch Deutschland
– dazu verpflichtet, den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Im April 2022 wurde im Bericht des Weltklimarats konstatiert, wir hätten als
Menschheit das notwendige Wissen und wirkungsvolle Instrumente, um den
Klimawandel zu bekämpfen, jedoch fehle es an konsequenten Umsetzungsmaßnahmen.
Das Abkommen von Paris ist nun bereits sieben Jahre alt und noch immer sehen
wir, dass gerade im Verkehrssektor zu wenig unternommen wird, um den Ausstoß
klimaschädlicher Gase zu reduzieren: Kein Tempolimit auf deutschen Autobahnen,
keine angemessene Besteuerung von Kerosin, keine Abschaffung des Diesel-
Privilegs. Wenn politische Entscheider*innen nicht dem Rat international
führender Expert*innen folgen, wenn sie sich nicht konsequent der Umsetzung
völkerrechtlicher Verträge widmen und selbst die Entscheidung des höchsten
nationalen Gerichts nicht zum Anlass nehmen konsequente Maßnahmen zu ergreifen,
schädigt dies das Vertrauen der Menschen in die Demokratie.
Wir Menschen sind in Demokratien aber nicht zum Schweigen verdammt, wenn gerade
keine Wahlen anstehen. Als Zivilgesellschaft tragen wir maßgeblich zur
politischen Willensbildung bei. Ziviler Ungehorsam ist für unseren Kreisverband
Bündnis 90/Die Grünen Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg eine legitime Form dieser
politischen Willensbildung und damit elementarer Bestandteil einer lebendigen
Demokratie. Ziviler Ungehorsam muss gerade nicht bequem, schön oder angenehm
sein, sondern darf irritieren, nerven und unserer Gesellschaft den Spiegel
vorhalten. Ziviler Ungehorsam gehört zur Identität unserer Partei und zu den
Bewegungen, aus denen sie entstanden ist. Wir lehnen jegliche Form sogenannter
Präventivhaft für Aktivist*innen ab, die sich des Mittels des zivilen
Ungehorsams bedienen. Wir lehnen weiterhin Strafverschärfungen für spezifische
Protestformen ab und wir fordern, die strafrechtliche Würdigung von
aktivistischem Handeln ausschließlich den dafür zuständigen und ausgebildeten
Staatsanwält*innen und Richter*innen zu überlassen.
Kommentare
Frederic:
Frederic:
Jenny Laube:
Brigitte Kallmann: